22. Oktober 2024
Der Bremgartenfriedhof als interreligiöser Bestattungsraum
Sina Krüttli
Master Religion in Globaler Gegenwart, 2. Semester
Ausgangslage
Laut einer Religionsbefragung des Kanton Berns hat sich die religiöse Landschaft im Kanton Bern in den letzten 50 Jahren stark pluralisiert. Vor 1975 gab es mehrheitlich christliche und jüdische Gemeinschaften. Seitdem haben sich buddhistische, hinduistische, islamische, Sikh- und Alevitengemeinschaften etabliert. Laut Bundesamt für Statistik gehört etwa die Hälfte der Mitglieder privatrechtlich organisierter Gemeinschaften diesen neuen Religionen an. Die andere Hälfte sind Christ*innen die 83 Prozent der organisierten Gruppen ausmachen. Diese christlichen Gemeinschaften sind vielfältig, darunter Freikirchen, evangelisch-reformierte Gemeinden, Mennonit*innen, evangelische Migrationskirchen, orthodoxe, lutherische und anglikanische Kirchen. Die Religionsbefragung zeigt die Vielfalt der Berner Religionslandschaft auf. Trotz der religiösen Vielfältigkeit sind die meisten Friedhöfe der Schweiz auf die klassischen, christlichen Traditionen ausgerichtet und dies, obwohl der Friedhofsboden trotz unmittelbarer Nähe zu den Kirchen den Landsgemeinden gehört.
Der Artikel geht der Frage nach, welche nicht-christlichen Bestattungsmöglichkeiten in der Stadt Bern möglich sind und mit welchen potenziellen Einschränkungen die Angehörigen dieser Religionsgemeinschaften kämpfen müssen. Dabei fokussiert sich der Artikel auf die Bestattungsmöglichkeiten für Angehörige des Hinduismus, des Buddhismus, des Judentums und des Islams in Bern.
Hinduistische Wasserbestattungen in Bern
Im Hinduismus spielt die Bestattung in einem fliessenden Gewässer eine zentrale Rolle für gläubige Hindus. Die Körper der Verstorbenen werden kremiert, und die Asche wird in einem Fluss, meist im Ganges, auf zeremonielle Weise verstreut. Diese Bestattungsform ist nun auch in Bern für zumindest einige verstorbene Hindus möglich. Pro Jahr darf die Asche von maximal 20 verstorbenen Personen in die Berner Aare gestreut werden. Dies geschieht zeremoniell zusammen mit einem Teelöffel Milch und einigen Rosenblättern. Wenn man bedenkt, was alles sonst an unerwünschten Materialien wie PET-Flaschen und Plastikabfällen in die Aare gelangt, erscheint es etwas paradox, dass es für die organische Asche einiger weniger Hindus eine extra Genehmigung benötigte. Priester Sasikumar Tharmalingam, der massgeblich am Erfolg der Bewilligung beteiligt war, beteuert jedoch, dass es ihm wichtig sei, die Gesetzte der Schweiz zu achten und somit eine offizielle Lösung die beste sei.
Abdankungsrituale im Hindutempel des Bremgartenfriedhofs
Nicht alle Hindus in Bern möchten ihren letzten Frieden in der Aare finden. Viele bevorzugen eine letzte Reise zurück nach Indien oder Sri Lanka. Die Hinterbliebenen senden die Asche zurück in das Ursprungsland der Verstorbenen, wo sie ebenfalls in Gewässern beigesetzt wird. Am beliebtesten ist dabei der als heilig geltende Fluss, der Ganges. Die traditionell übliche Abdankung kann dazu im neuen, hinduistischen Abdankungstempel der Gemeinde Bern auf dem Bremgartenfriedhof stattfinden. Das Abkommen mit der Friedhofsleitung ermöglicht es, ein kleines Feuerritual in der Leichenhalle zu feiern. Immer häufiger wählen jedoch gerade tamilische Hindus in der Schweiz auch eine Beisetzung im Urnengrab. Da die Anzahl dieser Gräber dennoch sehr überschaubar ist und für die Gläubigen nicht von Bedeutung, sind diese Gräber nicht abgetrennt von den christlichen Urnengräbern.
Muslimisches Grabfeld
Anders sieht es da bei den muslimischen Grabfeldern aus. Für Muslim*innen steht auf dem Bremgartenfriedhof ein eigenes Grabfeld zur Verfügung (Siehe Abbildung 1.) Dieses befindet sich zwar mitten in den christlichen Grabfeldern, bildet jedoch eine geschlossene Einheit. Dies hat den Grund, dass verstorbene Muslim*innen gemäss der religiösen Überzeugung, wenn möglich, nach Mekka ausgerichtet bestattet werden sollen. Auf dem Bremgartenfriedhof ist dies möglich. Allerdings ist es aufgrund der Schweizer Vorgaben Muslim*innen verwehrt, ohne Sarg und nur in einem Leichentuch beerdigt zu werden, wie es in muslimischen Ländern üblich ist. Die Gräber sind traditionell eher schlicht gehalten und häufig wird nach der Bestattungsfeier keine weitere Grabpflege mehr betrieben, da dies, anders als bei christlichen Gemeinschaften, keinen besonderen Stellenwert hat.
Allerdings vermischen sich auch hier Ursprungstradition und hiesige Bräuche. Gerade bei Kindergräbern suchen die Eltern die Grabfelder noch häufig auf. Anders als bei den Erwachsenen, die oft nach dem Todeseintritt in die Heimat gebracht und dort beerdigt werden, entscheiden sich viele Muslim*innen für eine Bestattung ihrer Kinder in der Schweiz. Doch ein muslimischer Bestattungsort ist längst nicht in allen Gemeinden vorzufinden. Lediglich 13 muslimische Friedhöfe bzw. Grabfelder sind in der gesamten Schweiz vorhanden. Im Kanton Bern gibt es neben dem Bremgartenfriedhof nur noch einen weiteren in Thun. Grundsätzlich besteht in der Schweiz die Möglichkeit, sich in einer frei wählbaren Gemeinde bestatten zu lassen, allerdings kann eine Bestattung ausserhalb der Wohngemeinde zu zusätzlichen Gebühren führen, weshalb nicht alle Muslim*innen den religiösen Vorgaben entsprechend bestattet werden.
Abbildung 1: Karte des Bremgartenfriedhofs, Stadt Bern: bern.ch
Buddhistisches Lotusgrabfeld
Auch der Gemeinderat freut sich über den neuen Bestattungsort. Dieser hatte sich für die Amtsperiode 2017-2020 zum Ziel gesetzt, allen fünf «Weltreligionen» einen bedürfnisgerechten Bestattungsort in der Stadt Bern zu bieten. Mit der Eröffnung der Lotusgrabfelder sowie dem Hindu-Abdankungstempel hat er sein Ziel bereits 2019 erreichen können. Eine weitere Kostengutsprache im Rahmen von 296’000 Fr. wurde zudem erst kürzlich im Juni 2024 für die Errichtung eines Grabfeldes für Alevit*innen verabschiedet.
Abbildung 2: Lotusgrabfeld, Stadt Bern: bern.ch. (Fotografie: Stefan Maurer)
Jüdischer Friedhof im Wankdorf
Die fünfte dieser «Weltreligionen» besitzt ihre letzte Ruhestätte schon länger. Juden und Jüdinnen können sich seit 1871 im jüdischen Friedhof Bern, in der Nähe des Wankdorfstadions, bestatten lassen. Wie auch im Islam, kommt für Jüdinnen und Juden nur eine Erdbestattung in Frage. Eine Kremation ist verboten. Die Beerdigung soll auf einem spezifisch jüdischen Friedhof geschehen, denn auf diesem gilt die ewige Grabesruhe. Anders als bei Friedhöfen der Gemeinden werden die Gräber dort nicht wieder ausgehoben oder neu belegt. Vermutlich ist dies mit ein Grund, weshalb auf dem Bremgartenfriedhof kein weiteres spezifisch jüdisches Grabfeld errichtet wurde.
Fazit
Der Bremgartenfriedhof geht mit gutem Beispiel voran, indem er die Bestattung Angehöriger von vier der Weltreligionen sowie auch Nichtgläubigen und zukünftig der Alevit*innen ermöglicht. Als einziger Friedhof der Schweiz bietet er seit 2018 auch Buddhist*innen einen religionsspezifischen Ort als Ruhestätte. Durch die teilweise abgetrennten, aber doch auch nebeneinander liegenden und zusammengeschlossen Grabfeldern bietet er neben seiner Funktion als Friedhof auch die Möglichkeit, als interreligiöser Bestattungsraum zu bestehen.
Es ist davon auszugehen, dass durch die zunehmende Pluralisierung der Gesellschaft sowie Migration ein immer grösser werdender Bedarf an religionsspezifischen Bestattungsorten entsteht. Obwohl die Stadt Bern den ersten Meilenstein gesetzt hat, wird sie zukünftig wohl nicht allen Bedarf decken können. Umso wichtiger ist es, dass auch kleinere Gemeinden ihre Bestattungsmöglichkeiten individualistischer gestalten, sodass in Zukunft jede Person gemäss ihrem letzten Willen beerdigt werden kann.
Literatur
Judith Albisser, Peter Baumann et al.: 2011. «Krankheit & Tod in den Religionen». Hrsg.: Christoph Peter, Baumann. Inforel, Basel, S.151 -202.
Medienmitteilung Buddhistisches Grabfeld
Wasserbestattungen Bern – Bärn Today Beitrag
Übersicht Jüdische Friedhöfe – SIG
Medienmitteilung Bremgartenfriedhof, Friedhof der Religionen
Religionsbefragung Kanton Bern
Ein lebenswerter Friedhof für alle – Swissinfo
Grabfelder für Muslim:as – GMS
Erstes Alevitisches Grabfeld der Schweiz – Der Bund
Bildquellen
Abb. 1: Übersichtsplan Bremgartenfriedhof A4
Abb. 2: Lotusgrabfeld