23. JUNI 2023
Das erste koschere Restaurant in Bern
Koscher essen in Bern – sollte doch eigentlich kein Problem sein. Seit dem Mittelalter gibt es jüdische Menschen in Bern und die Jüdische Gemeinde Bern (kurz: JGB) wurde bereits 1848 gegründet. Ihre Synagoge im Monbijou Quartier wurde 1906 eingeweiht. Trotz dieser langen Präsenz der jüdischen Gemeinschaft gab es in Bern anfangs des 21. Jahrhundert kein koscheres Restaurant. Wie schwer muss die Umsetzung der Kaschrut sein und was hat man im ayurvedischen Restaurant Vanakam verändert, damit es das erste Kaschrut Zertifikat in Bern erhalten hat?
Lia Egger (sie/ihr) – Bachelor Religionswissenschaften, Bern
Essen ist in vielen Religionen und Kulturen eine zentrale Praxis. Es gibt Vorschriften, was gegessen werden darf und was nicht. Auch die Art der Zubereitung ist in einigen Religionen ganz spezifisch vorgegeben. In der Jüdischen Tradition bezeichnet man diese religiösen Speisegesetze als koscher.
Die Anzahl der jüdischen Personen, welche die Koscher-Vorschriften beachten, ist in den letzten hundert Jahren stark zurück gegangen. Im 19. Jahrhundert hielten sich fast alle jüdischen Haushalte an die Vorschriften, wobei 100 Jahre später die koscheren Speiseregeln nur noch den orthodoxen Minderheiten zugeschrieben wurde. Die Bandbreite, wie jüdische Familien mit der Kaschrut umgehen, ist gross. Oft finden Familien einen Zwischenweg für sich: Zuhause wird koscher gegessen und ausserhalb der eigenen Räumen werden auch nicht-koschere Speisen konsumiert. Vegetarische Menüs werden oft nur als kleine Verstösse gegen die Kaschrut angesehen. Auch die Angehörigen der JGB konnten sich lange nur in den eigenen vier Wänden koscher ernähren, denn das erste koschere Restaurant in Bern im Haus der Religionen – Dialog der Kulturen (kurz: Haus der Religionen) wurde erst im Jahr 2018 als koscher zertifiziert.
Für die jüdische Gemeinschaft ist die koschere Ernährung wichtig, dadurch können sie sich ihrem Glauben hinwenden und sich auch von Anderem abgrenzen. Umso spannender ist deshalb die Umsetzung der Kaschrut im ayurvedischen Restaurant Vanakam.
Haus der Religionen – Dialog der Kulturen
Das Restaurant Vanakam befindet sich im Herzen des Haus der Religionen am Europaplatz in Bern. In den anliegenden Räumen um das Restaurant befinden sich die Gebetsräume von fünf der acht Religionen (Buddhismus, Hinduismus, Alevitentum, Islam, Christentum), welche im Haus der Religionen vertreten sind. Alle kommen im Restaurant zusammen, um sich auszutauschen und es bietet die Möglichkeit in Dialog zu treten. Die JGB hat im Haus selber keinen Raum, trotzdem beteiligen sie sich engagiert am interreligiösen Dialog, der im Haus der Religionen stattfindet.
Abbildung 1: Restaurant Vanakam (Bild: Lia Egger)
Es war der Rabbiner Michael Kohn der JGB der auf den Hindu-Priester Sasikumar Tharmalingam zuging und dem es zu verdanken ist, dass es in Bern endlich einen Ort gibt, an dem die Kaschrut Bestimmungen umgesetzt werden. Das ayurvedische Restaurant nahm alle notwendigen Vorkehrungen vor, damit auch die jüdische Speisetradition in Bern einen Platz bekam.
Vanakam – das ayurvedische Restaurant
Sasikumar Tharmalingam ist der hinduistische Priester im Haus der Religionen. Er ist mit 14 Jahren in die Schweiz geflüchtet und musste zuerst einmal mit dem Kulturschock zurechtkommen. „Zu dieser Zeit war man in der Gesellschaft noch nicht so offen und hatte nur wenig Verständnis für Neues, wie zum Beispiel die ayurvedische Kochtradition“, erklärte er in einem Interview mit Chitra-Lekhar Sarkar, einer schweizerischen und indischen Journalistin. Heute sei das anders. Mit dem Kochen ist er schon früh in Verbindung gekommen. Viel hat er von seiner Mutter gelernt und später auf seinen Reisen durch Südindien. Zurück in Bern, hat er eng mit einem tamilischen Naturarzt zusammengearbeitet, um die ayurvedische Kochkunst zu vertiefen.
Ayurveda ist eine vedische Kochkunst, welche auf die Gesundheit ausgerichtet ist und viele medizinische Ansätze mit einbezieht. Bestimmte Gewürze und Kräuter werden dank ihren Heilwirkungen verwendet. Es wird auf leicht verdauliche Speisen gesetzt und auch auf eine frische Zubereitung. Für den Hindu-Priester liegt die Kunst des Kochens darin, den Menschen im Gleichgewicht zu halten und es kann helfen die innere Ruhe zu finden.
Im Vanakam wird grossen Wert auf vegetarische Ernährung gelegt, denn in der hinduistischen Religion soll man keine Lebewesen für Ernährungszwecke töten. Für den Priester wäre das eine Sünde. Das wird aber nicht überall gleich ausgelebt.
Vanakam – das ayurvedisch, koschere Restaurant
Michael Kohn der Rabbiner der jüdischen Gemeinde Bern entscheidet, ob ein Restaurant als koscher zertifiziert werden kann oder nicht. Er kann eine Kaschrut Zertifikat ausstellen, um der Gemeinde die Sicherheit zugeben, sich koscher ernähren zu können. Damit dieses Zertifikat von Michael Kohn ausgestellt wird, müssen bestimmte Aspekte beachtet werden: Fleisch und Milchspeisen müssen in der Küche getrennt voneinander verarbeitet werden und die verwendeten Lebensmittel müssen koscher sein, sowie auch die kochende Person. Das sind nur wenige Aspekte, welche wichtig sein können. Denn die Gewichtung, welche den verschiedenen Aspekten zugeteilt wird, ist vom Rabbiner abhängig. Für den Rabbiner der JGB geht es bei der Einhaltung der Kaschrut in erster Linie darum, sich ständig zu dem jüdischen Glauben zu bekennen und nicht auf die Versuchung einzugehen.
Abbildung 2: Kaschrut Zertifikat
Im Interview mit Chitra-Lekha Sarkar erzählen Sasikuamr Tharmalingam und Michael Kohn, wie das ayurvedisch koschere Restaurant seine Anfänge nahm. Bei einem Besuch im Haus der Religionen sprach der Rabbiner den Hindu-Priester direkt an: „Das Essen riecht hier immer so gut, leider können wir es nicht essen.“ Damit war für den Hindu-Priester klar, das Restaurant muss sich verändern. Der Hindu-Prieser führt sein Restaurant nach dem Motto:
„Wir sind hier im Haus der Religionen, die Küche ist für alle Welt gedacht.“
Zusammen haben sie die Rezepte angeschaut und Rabbiner Kohn hat den Kochprozess genau beobachtet. Sie haben sich zusammengesetzt und besprochen, was alles verändert werden muss, damit Michael Kohn das Kaschrut Zertifikat ausstellen kann. Für Sasikuamr Tharmalingam war klar, was geändert werden kann, wird geändert und sie nahmen die Vorkehrungen vor.
Das Trennen von Fleischprodukten und Milchprodukten war für das Restaurant keine Herausforderung, da es bereits vegetarisch kochte. Ein Punkt der Umgesetzt wurde, sind die verwendeten Lebensmittel, denn diese müssen alle koscher sein. So hat man zum Bespiel die bisher verwendete Kokosmilch durch eine koschere Kokosmilch ersetzt. Auch war es wichtig, dass eine jüdische Person an dem Kochprozess teilnehmen kann. Dazu gehört das entfachen des Feuer, sprich den Herd einschalten, den Reiskocher an den Strom anschliessen und das Essen in den Töpfen umrühren.
Deshalb kommt nun jeden Tag, ausser am Shabbat, eine Person aus der JGB in das Haus der Religion, damit das Essen nach Abmachung zubereitet werden kann. Die jüdische Gemeinschaft bekam endlich eine Möglichkeit nach ihren Kaschrut Bestimmungen auch ausserhalb ihren vier Wänden zu essen und sich öffentlich zu ihrer Religion zu bekennen.
Kommunikation und Bereitschaft
Die Umsetzung der Kaschrut Bestimmungen im ayurvedischen Restaurant, scheint nicht kompliziert gewesen zu sein. Durch Kommunikation und auf einander zugehen, hat man es geschafft zwei Kochtraditionen und gleichzeitig zwei Religionen im Vanakam Restaurant zu vereinen. Im Herzen des Haus der Religionen wurde neben der Möglichkeit ayurvedisch zu essen und mit verschiedenen Religionen in Dialog zu treten, auch für die jüdischen Gemeinschaft ein Ort geschaffen, an dem sie ihren Glaube ausleben können und es ihnen ermöglicht wird aktiv an dem Programm im Haus der Religionen – Dialog der Kulturen teilzunehmen.
Zur Vertiefung
Restaurant Vanakam im Haus der Religionen
Literatur
Hohler, Mona 2015: Kaschrut. Die jüdischen Speisevorschriften im Wandel der Zeit. München/Ravensburg: GRIN Verlag.
Guy, Stephen 2014: Das Essen und die Religion. Dargestellt am Beispiel des Judentums. Hamburg: Diplomica Verlag
Bildquelle Abbildung 2: https://haus-der-religionen.ch/wp21/wp-content/uploads/2023/04/2023_04-Kashrut-Zertifikat.pdf